Sprechen ist eine Form der Kommunikation neben anderen. Schnell entsteht die unbewusste Annahme, Gespräch wäre die Methode der persönlichen Kommunikation schlechthin. Wir wissen aber, dass das nicht so ist. Damit meine ich hier weniger den Umstand, dass Non-verbale Kommunikation bekanntlich die verbale Kommunikation (also das Sprechen) bei weitem übertrifft, was Inhalt und Überzeugung betrifft.
Was ich meine wird deutlich, wenn ich auf das eigentliche Anliegen hinter dem Mittel schaue: Gespräch ist ein Werkzeug, ein Mittel, eine Methode – aber von was?
Man könnte meinen das ist doch völlig klar. Aber über Selbstverständlichkeiten nachzudenken ist schwer – jedoch auch sehr fruchtbar. Es ist ja selbstverständlich, das ein Gespräch nicht um seiner selbst willen erfolgt (von Ausnahmen abgesehen). Also um was geht es?
Spontan kommt da das Erreichen eines Zieles in den Sinn, ein Ziel, das ich gerne durch das Gespräch befördern möchte – also einen Zweck. Im ersten Teil (vom 19.2.15) habe ich schon angedeutet, dass Zweckerfüllung oft nötig ist – aber nicht das Eigentümliche eines Gesprächs ausmacht, das, was nur durch Gespräch entstehen kann. Ich habe Begriffe wie personale Begegnung genannt und das Geheimnis der „Personstiftung“ umschrieben (Michel wird durch Ansprache zur Person). Zuvor kommt mir noch etwas in die Quere:
Wie ein Hintergrundrauschen geht es in einem Gespräch meist noch um mein sich deutlich regendes ICH:
ICH möchte gesehen werden, bemerkt und geachtet werden. ICH möchte darüber hinaus bedeutsam sein (nicht im Sinne von berühmt, aber im Sinne von einmalig, nötig, mittragend usw.). Ein Mangel dieser Dinge überlagert auf Dauer alle anderen Bedürfnisse. Es entsteht eine Art Tonus der inneren Haltung, der Befindlichkeit. Mit dieser bewussten oder unbewussten Haltung begegne ich nun Menschen und finde mich in einer Kommunikationssituation vor.
Und sind nicht viele, ja sehr viele Probleme in der Kommunikation, im Gespräch durch diese Haltung belastet?
Um was geht es dem Gespräch?
Mir geht es um das werden meiner selbst, das je nicht machbare das sich ereignet in der freien Begegnung mit einem DU. Und damit um auch das offenbar untrennbar verknüpfte werden meines Gegenübers.
Um dieses schöne, abstrakte Aussage ein wenig mit Leben zu füllen möchte ich konkrete Dinge nennen, die sich daraus ergeben. Bei allem geht es darum diese Gedanken im Herzen zu halten. In einem weiteren Schritt schaue ich später noch genauer auf die Herzenshaltung hinter den Schwierigkeiten dies zu praktizieren.
Genau sein
Da wir gerade in ein neues Haus ziehen, hier ein praktisches Beispiel. Für die beiden Schrauben in der Mitte des Bildes suche ich das passende Schraubwerkzeug – kurz: ein Bit. Die Bits in der grünen Box passen gar nicht. Aber auch wenn ich richtigerweise einen
Kreuzschlitz aus der orangen Box wähle, kommt es nun auch auf die Größe an. Eine falsche Größe reduziert den Erfolg, die Schraube geht nicht richtig rein und kann zudem „vergnaddeln“.
Benutze ich in meiner Sprache ungenaue Begriffe oder höre nur ungenau zu kommt es nicht nur zu Missverständnissen sondern schnell auch zu Verletzungen.
Damit hängt ein weiterer Punkt zusammen:
– Sehr ernst nehmen
Manchmal bin ich zu bequem, das Bit, welches sich gerade im Schraubenzieher befindet, für eine andere Schraube zu wechseln. Ich müsste von der Leiter steigen, ein anderes Bit suchen und wieder zurück auf die Leiter steigen. Ich nehme die Schraube also nicht so ernst. In einem Einzelfall ist der Schaden evtl. zu verschmerzen. Auf Dauer aber beschädige ich möglicherweise mein Werkzeug – und mit dem kaputten Werkzeug dann die nächsten Werkstücke (Schrauben). Dann steht evtl. eine Schraube vor, ich bekomme sich nicht vor und zurück weil sie durch das kaputte Werkzeug auch schon beschädigt ist – das geht dann beim Verspachteln gar nicht.
Begriffe, die nicht genau sind, „greifen“ nicht.
Ernst nehmen des Anderen – hier ein paar Aspekte:
– Warten bis der andere ausgeredet hat (kein: „…ich weiß schon..“).
– Auch das genau, nehmen was nicht in meine Vorannahme passt.
– Vermuten, dass der andere meint was er sagt.
– Auch das Ablehnen einer (verbalen) Kommunikation akzeptieren.
– Wortverständnis (Begriffsverständnis) erfragen.
Pausen
Manchmal ist es emotional schwer, fast unmöglich, sich von sich selbst, vom eigenen ICH, zu lösen, um dem anderen im Gespräch Raum zu geben. Was aber vielleicht noch möglich ist, ist, einen Moment zu schweigen. Ein Schweigen, das nicht zur Sammlung von eigenen Argumenten dient. Schweigen hier als Respekt vor dem Anderen, ein Gewicht geben dem, was schon gesagt wurde. Und auch: ein Einüben von nicht-sagen-müssen.
Weniger
Ein großes Thema, ich deute nur ein paar Aspekte an, die mir wichtig sind.
– Weniger Argumente.
– Weniger Stimmvolumen.
– Weniger eigenen Gesprächsanteil.
– Weniger wollen.
Hier halte ich inne – denn dieses Weniger entsteht nicht aus dem beachten einer Liste – sondern aus einem inneren Vermögen – und dazu später mehr.
Ich möchte noch einmal zum Anfang zurück: Gespräch ist eine Form der Kommunikation, eine andere die Haltung in meinem Inneren. Um diese Haltung zu gewinnen muss ich mir über meine Ziele klar werden. Ob meine Ziele (meine Werte) mich motivieren, kann ich oft eher am Ergebnis sehen als an einer Überlegung. Sind die praktischen Dinge, die ich eben genannt habe, in vielen Situationen nicht erreichbar, ist es erlaubt zu fragen ob mir meine Werte nahe sind – ob ich meinen Werten wirklich begegne.
–> Fortsetzung folgt.